Buchausschnitt, 2.Teil-Kapitel 12

Wir aßen im Hotel zu Abend. Das Laufen war mir weiterhin versagt.

Die schöne Luft in unser Zimmer hereinlassend, hatten wir unser Fenster in der Nacht weit geöffnet. Irgendwann dämmerte uns, dass wir die Umgebung mit eindeutigen Geräuschen unterhielten. Schnell und leise schlossen wir es und hofften, dass niemand die Richtung klar orten konnte.

In die mondklare Nacht hinein fragte mein Adamo: „Was hältst du davon, wenn wir das Alter gemeinsam verbringen? Keine Verpflichtungen mehr, kein schlechtes Gewissen!“, und schmunzelnd: „Mein Großvater war lange bei der Sache und ich komme nach ihm!“

Nun denn, mein Adamo, so machen wir es!

Selig schlief ich in seinen Armen. Diesmal schnarchte leise und gleichmäßig mein Adamo. Träumte ich in einer dieser letzten Nächte vom alten, sich immer noch liebenden Pärchen, dass keine getrennten Wege mehr zuließ?

Niemand schenkte uns besondere Aufmerksamkeit auf dem Hotelflur, wie wir vorsichtig spähend am nächsten Morgen bemerkten. Auch nicht am Frühstücksbuffet. Kein Mensch identifizierte in uns die sexbesessenen Ruhestörer zu nächtlicher Schlafenszeit. Erleichtert und grinsend nahmen wir es zur Kenntnis, fragten uns aber doch, ob wir alt und bieder aussahen. Welche Attribute uns fehlten, um als liebestoll zu gelten. Traute man es nur Paaren zu, die auch öffentlich in schmatzender Manier aneinander klebten, sich gurrend abtasteten und dabei mümmelnd grollten?

Die Zeit hatte sich in endloser Folge, wie es schien, gegen uns verschworen. Unfähig, große Worte zu finden, fuhr ich Adamo zum Bahnhof. Auf Abschiedsszenen verzichteten wir. Es fiel uns ohnehin schwer genug.

„Spätestens im Alter! Abgemacht?“, erinnerte ich ihn noch, bevor er zum Zug ging.

Das Ende entriss ihn mir, hatte wie immer gewonnen und mein Herz mit zentnerschwerer Last in die Einsamkeit verbannt. Ja, lache nur, du fressendes Monster der Neige und des Abschlusses!

Der Herbst des Jahres gestattete uns ein Wiedersehen mit einem Abendessen. Adamo wirkte fern und wieder einmal verspannt. Ich tröstete ihn und versprach ihm schnelle Linderung, schließlich verfehlten meine Massagen, wie ihm bestens bekannt war, nie ihre Wirkung.

„Nein, Evi“, antwortete er, unter Druck stehend. „Ich kann das nicht tun!“

Der Boden wollte mich verschlucken. Grinste das Ende auch hier schon? Tanzte es feixend um die Ecke? War ich blind und taub? Litt ich unter Halluzinationen? Was stimmte hier nicht?...